Unter dem Tisch sitzend, betrachtete er mit Interesse die Anwesenden. Der ganze Saal war mit verschiedenartigen Vertretern der Drachenwelt gefüllt und was für Drachen es dort zu sehen gab! Drachen von weiß bis schwarz, von einfarbig bis bunt oder gesprenkelt, von groß bis klein, mit kleinen Flügeln, mit großen, mit langen Schwänzen mit kurzen, mit einem Kopf oder auch mit mehreren. Die Damen trugen verschiedensten Schmuck. In ihre Mähnen hatten sie Perlen, Blumen und Haarklammern mit bunten Steinen eingeflochten und auf den Schwanzspitzen saßen schöne Schleifen.
Immer noch kamen Gäste an. Damen defilierten in Begleitung von Kavalieren. Mütter führten ihre Töchter in die Öffentlichkeit, um einen Bräutigam für sie zu finden. Männer ergriffen die Gelegenheit, um in Männerrunden reichlich zu debattieren. Hier und da standen kleine Gruppen, in denen verschiedene Neuigkeiten heiß diskutiert wurden und in denen es ausschließlich um Männerthemen ging. Ältere Damen saßen auf gepolsterten Sitzbänken und klatschten nicht weniger lebhaft. Jüngere Drachinnen – im Heiratsalter – standen, aufgeregt flüsternd in kleinen Gruppen entlang der Wände und kicherten wenn ein potentieller Bräutigam sie ansah. Sie alle begutachteten heimlich die königlichen Sprosse.
Auf einmal erblickte Nico ein junges Mädchen, das ungefähr in seinem Alter war. Sie war ziemlich attraktiv und zu seiner Überraschung genau so groß wie er selbst. Das Drachenmädchen sah ihn ebenfalls und schaute ihn mit Interesse an. Sie lächelte freundlich und verschwand in der Menge, einem wichtigen Drachen hinterher – offenbar ihrem Vater.
Nico erstarrte vor Überraschung, keiner hatte ihn je so freundlich angelächelt, erst recht kein junges Mädchen. Sein Herz klopfte heftig und er war bereit, die Gefahr vergessend, unter dem Tisch hervor zu springen und ihr hinterher zu rennen. Aber nachdem das letzte Geschenk überreicht worden war, verkündete der König den Beginn des Festes und alle strömten in den Speisesaal.
Nico schlich sich hinter den Gästen in den Saal, in dem sich die Tafeln unter allerlei Speisen bogen. Am Kopfende saß die königliche Familie und von dort aus, an beiden Seiten des Tisches, die Gäste. Im Saal wurden allerlei Getränke verteilt. Die Becher, die vor den Gästen standen schienen unerschöpflich – sie wurden laufend mit Nektar oder berauschenden Getränken gefüllt. Die Trinkgefäße der königlichen Familie unterschieden sich von denen der Gäste, vor jedem von ihnen stand der traditionelle Familienkelch, ein Horn das auf einem Ständer ruhte.
In der Mitte des Saals traten abwechselnd Tänzer, Akrobaten und Sänger auf und Krieger zeigten ihre Geschicklichkeit im Schwertkampf, aber Höhepunkt des Abends war der Auftritt der Meister. Sie brachten alle in eine solche Stimmung, dass den Gästen vor Lachen die Bäuche weh taten. Ein Drache war offensichtlich der Meister und der andere sein Assistent. Dieser besaß einen schlangenähnlichen Körper und konnte sich in solch undenkbare Knoten verbiegen, dass jemand aus dem Saal ihn aufknoten musste. Als der Meister aus seiner Schnauze buntes Feuer spie, da furzte der Assistent im gleichen Takt und dasselbe Feuer kam von der anderen Seite. Dies war keine Absicht, bloß um das Feuer bunt zu machen, mussten sie auf die Hilfe des Alchemisten zurückgreifen und die eingenommene Flüssigkeit zeigte Nebenwirkungen in Form von „zusätzlichem Feuer“.
Obwohl der Ball lustig und reibungslos verlief, kam er natürlich nicht ganz ohne Zwischenfälle aus. Einer der Gäste war ein neunköpfiger Drache und einer seiner Köpfe stach sehr durch freches und schlechtes Benehmen hervor – wie konnte es auch anders sein, wo er doch eine Vorliebe zum Trinken hatte… Dieser Kopf brachte seine Kollegen, durch regelmäßigen Unfug vor feiner Gesellschaft, in peinliche Situationen. Für sein rüpelhaftes Verhalten wurde ihm der Kopf schon öfters abgeschlagen, in der Hoffnung, dass es ihm eine Lehre sei und er mit mehr Vernunft und besserem Verhalten nachwachsen werde. Allerdings es half alles nichts, der neue Kopf verhielt sich genau so wie der alte. Sobald die restlichen acht Köpfe nicht hinsahen, fand der neunte irgendeinen Krug mit Wein und trank ihn, seine Schnauze bis zu den Ohren hineinsteckend, in einem Zug aus.