Bald stellte er fest, dass es einen weiteren Ausgang gab. Dieser war mit Gebüsch überwuchert und über ihm hing ein Teil eines Hauses. Aber die Höhle war Dank des Gebüschs so gut versteckt, dass niemand auf die Idee gekommen wäre, sie hier zu vermuten.

Auf diesem Weg fand Nico ein neues Zuhause. Auf Honigjagd ging er nicht mehr, er hatte genügend Obst und Beeren. Der kleine Drache war nie auf einer der schwebenden Inseln von Atalanta gewesen, denn er konnte nicht fliegen. Genauer gesagt, er konnte, aber nicht höher als einen Meter und auch das nur wenn er hochsprang. Aber der kleine Nico fand auch so genügend Vergnügungen. Tagelang wanderte er über die große Insel, insbesondere aber liebte er es, wenn in der Stadt ein Fest veranstaltet wurde. Dann bemühte sich der kleinen Drache, ein Versteck zu finden, in dem er von keinem gesehen wurde, denn die einheimischen Kinder hätten ihn nur wieder ausgelacht. Aus einem solchen Versteck beobachtete er dann alles was sich in der Stadt abspielte.

In der Zwischenzeit stahl sich Nico immer öfter in das Haus über seiner Höhle. Er stibitzte von den dortigen Tischen alles Mögliche: Löffel, Gabeln, Messer, verschiedenen Knöpfe, Haarklammern. Kurz gesagt alles was in seine, nicht besonders großen Pfoten passte. Eines Tages schlich er sich durch einen Flur ein und sah eine Rüstung durch die geöffnete Tür des Herrenzimmers. Diese war so blank geputzt, dass es möglich war, seine Zahnfüllungen darin zu betrachten, nur falls man welche hatte natürlich.

Nico erlag der Versuchung. Er kroch in das Panzerhemd, setzte die Blechhaube auf seinen Kopf, nahm ganz nebenbei ein Schwert, dessen Handgriff mit funkelnden Edelsteinen verziert war und schleppte sich mit all diesen Gegenständen Richtung Zuhause. Mit unglaublicher Mühe schlich sich der Abenteurer, die ganze Last auf seinen schmächtigen Schultern, zu einer Wendeltreppe. Als er bereits einige Stufen geschafft hatte steckte plötzlich das Schwert fest und Nico, der den Griff festhielt, hing daran. Nico schaute hoch und sah einen riesigen Fuß auf der flachen Klinge des Schwertes stehen, das nun waagerecht festsaß, weshalb Nico über den Stufen hing.

Der Herr des Hauses hatte den Langfinger auf frischer Tat erwischt und sah nun, die Fäuste in die Hüften gestemmt, finster und mürrisch auf den glücklosen Drachen herab. Nico lies vor Angst das Schwert los und rollte Hals über Kopf die Treppe hinunter. Die Unmengen an Metall die Nico umgaben, machten so einen Krach, dass das ganze Haus in Aufruhr geriet. Als er endlich bis zum Boden hinunter gekullert war, wand sich Nico aus der Rüstung heraus, wartete bis er aufhörte Sterne zu sehen und suchte, langsam zur Besinnung kommend, das Weite. Er lief über Flure, stürzte auf eine Terrasse, schlüpfte zwischen den figürlichen Balustern des Geländers hindurch und klammerte sich an die Zweige und Wurzeln der Pflanzen. Lange Zeit wurde im ganzen Haus nach ihm gesucht und von den Balkonen nach ihm Ausschau gehalten, aber es gelang dem Drachen über die Zweige zu seinem Versteck hinunter zu klettern und nach diesem Vorfall ging er nicht mehr ins Haus.

Nico war kein böser oder gieriger Drache, er hatte einfach von klein auf eine Schwäche für alles was glänzt. Er verstand selbst nicht warum, aber der Besitz dieser Dinge machte ihn glücklich. Vielleicht war es das Empfinden etwas Besonderes tun zu können. Wirkte es so auf ihn? Nein, wohl eher gab es ihm ein aufregendes Gefühl der Gefahr, mit dem er versuchte den Mangel an Liebe und Aufmerksamkeit seitens seiner Familie zu ersetzen. Er hatte den Eindruck auf diese Weise allen zeigen zu können, wie tapfer er ist und dass sie ihn nun endlich bemerken würden und dem kleinen unglücklichen Drachen die Aufmerksamkeit schenken würden, die ihm so sehr fehlte. Und so schleppte Nico ständig, alles Glänzende das er finden konnte, in seine klitzekleine Höhle am Rande der größten Stadt der Insel. Die Besitzer des Hauses, hatten nicht den Schimmer einer Ahnung, dass es unten im Felsen eine Höhle gab, in der sich Vorräte aller Art, wie Steine, Metall, Knöpfe, Haarklammern und Besteck türmten.