Das Urteil


Nico verbrachte die ganze Nacht eingesperrt und malte sich mit großer Angst aus, welche Bestrafung König Nait wohl erlassen werde. Nur das Bild des jungen Mädchens machte seine düsteren Gedanken erträglicher. Schade, dass er gefangen wurde, dachte der kleine Drache, vielleicht hätten sie Freundschaft schließen können. Er lächelte, es war wirklich eine sehr mutige Tat gewesen, der königlichen Wache so das Bein zu stellen!

Am nächsten Tag erschien Nico vor dem König. Alle Gäste hatten bereits das Schloss verlassen. Der unglücklich in alles glänzende Verliebte, stand mit hängendem Kopf vor dem Thron des Königs und riesige Tränen liefen über seine Wangen.



„Wie heißt du?“, fragte König Nait streng.

„Nico“, sagte der Arme schluchzend.

„Wie kamst du ins Schloss?“

„Ich… ich … unter dem Rock einer Dame…“, antwortete der kleine Drache fast flüsternd, denn er zeichnete sich immer durch Ehrlichkeit aus.

„Unter dem Rock?!“, schmunzelte König Nait.

„Ja, Eure Majestät.“

„Und warum hast du von den Tischen gestohlen?“

„Ich… ich… weiß es nicht.“, antwortete ein unglücklicher Nico.

Er wusste tatsächlich nicht, wie er diese Frage beantworten soll.

„Wie, du weißt es nicht?“, der König runzelte die Stirn „Und wie lange klaust du schon?“

„Mein ganzes Leben.“, antwortete der kleine Drache kaum hörbar.

„Verkaufst du die Sachen an jemanden?“, Nait lehnte sich nach vorne und schaute den Langfinger scharf an.

„Nein, Eure Majestät, ich sammle sie an.“

„Wofür?“, staunte der König.

„Ich weiß es nicht…“

Die Worte waren kaum hörbar.

„Es scheint mir, dass du ein Kleptomane bist.“, schloß König Nait.

„Klepto… was?!“

Der Arme hörte auf zu weinen und schaute den König mit seinen großen Augen an.

„Kleptomane. Jemand der alles klaut was ihm in die Hände kommt, ohne bestimmtes Ziel. In deinem Fall ist es alles was glänzt, wie ich verstanden habe.“

„Bin ich krank?!“, schrie Nico verzweifelt auf.

Es schien, als würde er gleich ohnmächtig zu Boden fallen.

„In gewisser Weise ja… und ich denke, die einzige Heilung in Deinem Fall wird sein – dich auf den Planeten Kitur zu schicken.“

„Ich werde nie mehr!“, schrie der kleine Drache auf.

„Was wirst du nie mehr? … Du weißt, dass laut unseren Gesetzen, Diebstahl eine schwere Straftat ist…“

Nico erstarrte, ohne zu wissen was er antworten solle.

„Nun, so ist es!“, antwortete der König, „Du bleibst dort, auf diesem blauen Planeten – dann wirst Du merken wieviel besser es auf Atalanta ist“.

Obwohl der blaue Planet für Drachen sehr attraktiv war, hatte keiner von Ihnen den Wunsch dort zu leben. Das Leben auf der Erde war auf jeden Fall härter, als auf Atalanta.

Nico sah den König an und aus seinen Augen rollten Tränen.

„Kann ich irgendwann zurückkehren… ?“, fragte er stotternd und sich an seinen Tränen verschluckend.

Wäre dies vor der Feier im Schloss des Königs passiert, wäre die Tatsache, dass er nicht mehr in seine Heimat zurückkehren konnte, vielleicht nicht so bitter gewesen, denn ihn hatte nichts auf Atalanta gehalten. Jetzt jedoch fühlte der kleine Drache zum ersten Mal, dass es jemanden gab, für den es sich lohnte sich zu verbessern. Zum ersten Mal im Leben gab es jemanden, der über sein Aussehen nicht lachte, zum ersten Mal schaute ein Mädchen auf ihn ohne ihn zu verhöhnen und half ihm sogar in einer Notsituation.

„Vielleicht…“. König Nait schüttelte den Kopf und sprach dann mit lauter und fester Stimme aus: „Ich befehle dem Drachen Nico den Stein abzunehmen und den Schuldigen unverzüglich auf den Planeten Kitur zu schicken.“

Die Worte klangen für Nico wie einen Todesurteil – er senkte seinen Kopf.