Aber auch die Be- und Verarbeitung dieses Gesetzesrechts( paper law, law in the books) durch Prozessrechtswissenschaft und Rechtsprechung und namentlich durch Bundesverfassungsgericht ist- wie schon geschildert – in vieler Hinsicht problembeladen. Das gilt auch für die Zwangsvollstreckungspraxis (law in action, law in operation) mit ihren neuerlichen beklagenswerten Auswüchsen in der Realität, also mit andern Worten für die Vollstreckungs(rechts)wirklichkeit (living law, legal facts) Hier seien dazu lediglich noch zwei derzeit auch in den Medien behandelte Problemschwerefelder angesprochen.

Da ist zunächst die als Kernstück des vorliegenden diesbezüglichen Gesetzesreformentwurfs unter dem Stichwort «Sachaufklärung» behandelte Problematik der Verheimlichung, Verschleierung, Verschiebung oder Beiseiteschaffung von Vermögenswerten durch den Schuldner. Diesen rechtswidrigen Handlungen zur Vereitelung der Zwangsvollstreckung lässt sich gegenwärtig weder mit eidesstattlichen Offenbarungsversicherungen und Haftandrohungen noch mit den beim Vollstreckungsgericht geführten Schuldnerverzeichnissen (§§ 899 ff. ZPO) hinlänglich beizukommen. Auch die Instrumente des Gläubigeranfechtungsgesetzes (AnfG) oder die Maßnahmen der privat organisierten Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (Schufa) oder die Auskünfte andere Stellen über die Bonität von Schuldnern bieten nur unlängliche Abhilfen zur Eindämmung der genannten Probleme.

Eine weitere besonders «heiße» Problematik betrifft nicht nur speziell die Zwangsvollstreckung, sondern auch die staatliche Justiz und ihre gerichtlichen Prozeduren ganz allgemein. Sie wird mit dem Schlagwort einer «Privatisierung» vormals ureigener justizieller Aufgaben bezeichnet und an Erscheinungen wie an nichtstaatlichen und außergerichtlichen Konfliktlösungseinrichtungen (Alternative Dispute Resolution, ADR) und an den verschiedensten Formen einer Selbsthilfe einer oder beider Parteien oder einer Hilfe zur Selbsthilfe durch Dritte festgemacht. Als ein weiteres Indiz für jene Privatisierungstendenz lässt sich auch die verschiedentlich diskutierte Frage anführen, ob man nicht die Gerichte von der gesamten Sachaufklärung und Beweisermittlung möglichst weitgehend entlasten und diese Aufgaben den Parteien oder ihren Anwälten überantworten sollte in Anlehnung an US-amerikanische und andere Vorbilder (pre-trial discovery), was sich auch für die Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung (post-trial discovery) fragen lässt.. Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang erwähnt dass schon seit Jahren bestimmte vormals polizeiliche Aufgaben inzwischen durch Privatleute erledigt werden und auch die Übertragung des Gefängniswesens in private Hand mittlerweile diskutiert wird.

Was speziell die Zwangsvollstreckung angeht, findet sich mittlerweile eine besonders «alarmierende Form der Privatisierung der Rechtsdurchsetzung» [7], nämlich eine solche mit Hilfe der «Mafia» oder sog. «schwarzer Männer», welche im Auftrag des Gläubigers die Schuldner auf Schritt und Tritt verfolgen und diese mit kriminellen Machenschaften wie insbesondere Drohungen und Gewaltanwendungen unter Druck setzen und zu Zahlungen oder Herausgaben von Wertgegenständen zwingen. Auch im Bereich des privaten Inkassowesens, welches auf Grund von Forderangsabtretungen (Inkassozessionen) oder Ein-

Ziehungsermächtigungen (Inkassomandate) Gläubigerforderungen einzutreiben sucht, finden sich mittlerweile bedenkliche Entwicklungen. Inzwischen nämlich gibt es dubiose Unternehmen oder sogar Banden, die sich auf den Ankauf sog. «fauler» vollstreckbarer Titel für einen Bruchteil des Wertes der titulierten Forderungen spezialisiert haben, um diese Titel alsdann mit kriminellen Methoden durchzusetzen.Damit bin ich am Ende meines Berichts angelangt.