Wieder alleine


Nico schlurfte durch den Wald, ohne Büsche, Schluchten oder den Weg wahrzunehmen…

Es war ihm egal wohin er ging. Er ernährte sich von ihm unbekannten Beeren und Früchten, denn der Hunger war stärker, als die Angst an einer giftigen Pflanze zu sterben. Einmal stieß er, in einem umgefallenen Baum auf ein Nest indem, wie durch ein Wunder die Eier ganz geblieben waren. An diesem Abend schlief er, zum ersten Mal seit vielen Tagen, satt ein…

Es vergingen Tage, Wochen, Monate bis er sich endlich in der Nähe eines kleinen Dorfs befand.

Aus einem Versteck beobachtete der kleine Drache lange was in der Siedlung stattfand, bis er sich entschloss, zu einem Bauernhof am Rande der Siedlung zu kriechen. Nico beobachtete aus einem Versteck zwischen Büschen, Menschen, Hunde und Hühner, die mal hier mal da, auf der Suche nach Würmern am Boden pickten. Der hungrige Glücklose bemerkte, dass eine Frau mehrmals, nach einem bestimmten Geräusch aus einem der Gebäude kam, ein anderes betrat und mit Eiern wieder herauskam. Nico schien, dass dies ein Lager für solche Eier war. Und diese waren viel größer als jene, die er im Wald gefunden hatte.

An die Wände des Schuppens gedrückt, schlich Nico zum Hühnerstall. Er kletterte ins Innere des kleinen Gebäudes und naschte, indem er in die Regale kroch Hühnereier – er stach eines mit seiner Kralle auf, trank es aus, danach das zweite und so alle der Reihe nach. Die Hühner, durch den Einbruch des Drachens aufgeregt, echauffierten sich und erhoben ein großes Geschrei. Aber Nico war so begeistert, dass er nicht merkte wie die Frau des Bauern in den Hühnerstall kam, sie war auf das Äußerste erschrocken und zeterte, dass irgendein Monster, schmutzig, dürr, mit Kletten und allerlei Müll am Körper auf die Hühnerstangen kletterte und Eier naschte.



Tatsächlich konnte Nicos Aussehen jede, sogar die mutigste Frau erschrecken. In den vergangenen Monaten seines Irrwegs durch Wälder und Berge mergelte er so sehr ab, dass seine ohnehin großen Augen einfach riesig geworden waren und mit hungrigem Glanz leuchteten. Sein Körper war mit einer Kruste von Schmutz und Schürfwunden bedeckt und anstelle von Gefieder ragten Kletten heraus…

…Natürlich wussten die Menschen von den Drachen, obwohl es diese nicht häufig zu sehen gab. Denn trotz der gegenseitigen, vorteilhaften Zusammenarbeit versuchten die Drachen, die Menschen durch ihre Anwesenheit auf der Erde nicht zu stark zu belasten. Aber die Menschen, die Drachen begegnet waren, hinterließen Zeichnungen die Drachen darstellten und verfassten Märchen und Legenden über sie.

Nun war es aber so, dass der arme Nico nicht wie ein echter Drache aussah und durch sein Äußeres, bei Frauen Angst und bei Männern Lachen verursachte…

Jetzt ähnelte er einer Vogelscheuche. Schade, dass die Menschen nicht wussten wie nett und harmlos dieser kleine, glücklose Drache war.

…Nico suchte in Panik nach dem Ausgang, aber die Frau, die weiterhin schrie, versperrte mit ihrem Körper den Weg. Er holte tief Luft, kniff die Augen fest zusammen und lief, in vollster Verzweiflung der Frau unter den Rock. Sie sprang auf und es gelang ihm aus dem Hühnerstall zu entfliehen, jedoch draußen warteten auf ihn Männer mit Rechen und Frauen mit Besen.

Nico lief über die Höfe zwischen den Häusern. In regelmäßigen Abständen erwischte ihn ein Besen am Schwanz, aber er bemühte sich den Rechen auszuweichen. Im letzten Moment einen Haken schlagend, schaffte es der armer Kerl in einen Haufen zu springen.

Dieser erwies sich als Misthaufen… Lange suchten ihn die Bauern, dann gingen sie zurück auf ihre Höfe. Nico saß im Inneren des Haufens so lange, bis alles still wurde. Sorglose Hühner hatten begonnen, um ihn herum zu spazieren. Eines von ihnen bemerkte ein Wackeln und pickte, überzeugt es handle sich um einen Wurm, dem Drachen direkt in den Schwanz. Nicos Nerven gingen mit ihm durch und er flitzte, aus dem Haufen springend, in den Wald davon.