Der Staatsanwalt hat ja das Ermittlungsverfahren, das von der Polizei in der Regel angeleiert wird, einer Entscheidung zuzuführen. Das heisst, er muss, wenn eine Straftat passiert ist, die Hintergründe ermitteln; versuchen, den Starftäter ausfindig zu machen und den dann anschliessend bei Gericht anzuklagen. Und diese Ermittlungstätigkeitet, das ist also eine reine Aktentätigkeitet, Schreibtischtätigkeit. Man veranlasst, dass Zeugen vernommen werden; man holt unter Umständen Sachverständigengutachten ein, beispielsweise zur Blutgruppe. Und diese Ermittlungstätigkeit endet mit der Entscheidung des Staatsanwalts, entweder einen Beschuldigten anzuklagen – also eine Anklageschrift zu verfassen und die bei Gericht einzureichen – oder aber das Ermittlungsverfahren einzustellen.

Frage: Kann man das mengenmässig festlegen, etwa welcher Teil dieser Fälle dann bis zur Anklage kommt und wie viele schon vorher niedergeschlagen werden?

Also es gibt mit Sicherheit Statistiken darüber. Die sind mir allerdings jetzt nicht bekannt. Wenn ich mal eine Schätzung abgebe aus meiner Tätigkeit, würde ich sagen, dass die Mehrzahl dre Fälle eingestellt wird. Und zwar werden die zum Teil eingestellt, weil der Beschuldigte nichtüberführt werden kann, und zum Teil aber auch wegen Geringfügigkeit oder gegen Zahlung von freiwilligen Geldbussen an irgendwelche gemeinnützigen Einrichtungen in Fällen, die Bagatellfälle sind. Und wenn man die Fälle alle zusammenzählt, die eingestellt werden, dann ist das – würde ich doch sagen: Die weitüberwiegende Mehrzahl der Fälle von Ermittlungsverfahren werden nicht angeklagt bei den Gerichten.

Frage: Und hach der Ermittlungstätigkeit nun: Wie sieht die Tätigkeit des Staatsanwalts danach aus?

Ja, der spannendste Moment ist dann, wenn der Staatsanwalt oder jedenfalls der junge Staatsanwalt, der ich ja damals war, in der Hauptverhandlung vor Gericht auftreten und seine Fälle dort vertreten muss. Da ist man also dann zum ersten Mal in der Situation – ich damals als, was weiss ich, junger Sieben– oder Achtundzwanzigjährigen – im der Situation, in eineröffentlichen Verhandlung eine Straftat anzuklagen, ein Plädoyer halten zu müssen. Das sind Dinge, die ich damals als sehr aufregend empfunden habe. Erstens, weiless ohnehin für einen Anfänger eine aufregende Situation ist. Zum andern kam bei mir allerdings auch noch hinzu, dass mir das auch Probleme gemacht hat, weil ich mir nicht immer sicher war, ob das gut ist, was ich da mache.


5. Juristen als Hochschullehrer

(Dr. Volkmar Gessner, Professor am Zentrum für Europäische Rechtspolitik «ZERP» an der Universität Bremen)


Frage: Herr Professor Gessner, wie wird man in Deutschland Hochschullehrer?

Das ist in Deutschland ein recht langer Weg. Man muss zunächst sich promovieren, was etwa drei Jahre in Anspruch nimmt. Man istüblicherweise in der Zeit Hochschulassistent. Und in der Folge muss man eine Habilitationsschrift schreiben, was etwa vier bis fünf Jahre in Anspruch nimmt. Dann ist man Privatdozent und wartet auf einer Ruf. Das kann gleich erfolgen, kann aber zehn Jahre dauern, bis man den Ruf bekommt auf einen Lehrstuhl. Im Augenblick sind Wissenschaftler, die einen Ruf bekommen, etwa 40 Jahre alt.

Frage: Ist der Beruf eines Hochschullehrers in Deutschland für Juristen ein erstrebenswerter Beruf?

Ja, nicht nur für Juristen. Das ist in Deutschland allgemein sehr attaktiv. Die Positionen sind gut bezahlt und sind mit einem hohen Prestige behaftet. Ein Professor in Deutschland ist immer noch fast an der Spitze der Prestigeskala. Insofern ist das ein durchaus attraktiver Beruf, auch finanziell, weil man neben dem ohnehin schon hohen Gehalt noch weitere Einkünfte hat, vor allem in den Naturwissenschaften: als Sachverständiger, als Gutachter. Aber das gilt auch für juristische Hochschullehrer.