„Sehr gut. Warten Sie auf unseren Rückruf.“

In Kiew herrschte Frost, trotzdem war das Wetter mehr widerlich als kalt. Kein Schnee, aber viel Eis auf dem trockenen, schmutzigen Asphalt. Bei solchem Wetter wollte man nur warme Socken anziehen und die Serie „Santa Barbara“ bis zum Ende anschauen, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen. Natalja hatte keine Lust, das Wohnheim zu verlassen, dazu noch in ihrer kurzen Daunenjacke, in der sie bis in die Knochen fror. Deshalb kniete sie sich ins ihr Studium. Es gab viel zu lernen und das Mädchen schaffte es nicht, alles rechtzeitig zu erledigen. Sie fragte einen Kommilitonen, der abends in der Bar arbeitete, warum bei ihm alles so rechtzeitig klappte, und fand heraus, dass viele Studenten Amphetamin nahmen. Das half ihnen, sich tagelang aufs Lernen zu konzentrieren, und vor allem beim schnellen Lesen. Erfreut beschloss sie, dieses Wundermittel auszuprobieren. Natalja hatte noch nie zuvor Drogen konsumiert, das war ihr erstes Mal. Es gefiel ihr sehr gut! In diesem Zustand verschwindet der Appetit, der Mensch denkt, liest und läuft viel schneller. Sie entwickelte ein neues Lebenstempo. Parallel zum Studium schrieb sie jeden Tag hundert neue englische Wörter aus dem Wörterbuch heraus und bemühte sich, sie alle im Gedächtnis zu behalten.

Endlich erhielt sie den lang ersehnten Anruf. Ein Mann rief sie an, sie vereinbarten ein Treffen.

Natalja zog ein grellgrünes Kleid aus feinem Stoff an, ähnlich dem, aus welchem Leggins hergestellt. Das Kleid hatte einen Rückenausschnitt bis zur Taille und war für kleines Geld in einer Marktschneiderei genäht worden. Einige Minuten zweifelte sie: „Das Kleid passt eindeutig nicht zu dieser Jahreszeit, dafür ist es sehr sexy und grell. Nein, es ist genau das, was ich brauche!“

Sie zog über das Kleid eine Bluse und die Daunenjacke an und ging hinaus. Sofort wurde sie vom beißenden Frost gepackt.

„Brrr! Oh, du Frost! Lass mich los!“

Ihr rosiger Körper wurde bläulich, die Knie dunkel weinrot. Sie stieg in die warme U-Bahn, alle ihre Gedanken drehten sich um den „Traumjob“.

Im Innersten war Natalja ruhig. Sie wusste, dass sie den Job ohne besondere Anstrengung und ohne Wettbewerb bekommen würde. Es war ja genau das, was sie konnte und mit Leib und Seele wollte. Sie glaubte immer daran, dass sich gutes Geld ausschließlich mit einer Arbeit verdienen ließ, die einem den richtigen Spaß machte. Sie verstand die Menschen nicht, die morgens gähnend jammerten und sich aus dem warmen Bett zwangen, um zu einer Arbeit zu gehen, die sie hassten und verfluchten.

Das war nicht richtig! Sie war sich dessen ganz sicher.

Als sie zum Gesprächstermin kam, sah sie einen kleinwüchsigen Mann mit einer Goldkette um den Hals und in einer Lederjacke. Sie hatte den Eindruck, dass seine Halsmuskeln gerade durch das Gewicht der Kette so gut entwickelt waren. Sein Blick war wie der eines Hundes. Es schien, als wollte er sie gleich beschnuppern. Aber nein. Sein Blick fiel auf den Nataljas Busen, der bläulich und mit Gänsehaut überzogen war, weil sie sich entschlossen hatte, ihn sogar bei Frost für den vollen Effekt zu entblößen. Er betrachtete das vor Kälte blau angelaufene Mädchen wie eine Puppe im Schaufenster einer Boutique und presste beifällig lächelnd die schmalen bläulichen Lippen zusammen. Für sich bemerkte er, dass die Kleine dem Aussehen nach wohl einen Überschuss an Originalität mitbrachte. Natalja fiel ein Stein Herzen, sie fühlte sich rundum wohl.

„Artschik“, stellte sich der Mann vor und reichte ihr die Hand.