Alle Ihre Aufzeichnungen werden wir unseren Nachkommen – Kindern sowie Enkel – und Urenkelkindern – überliefern, zuerst als Bestandteil des laufenden Gemeindearchivs, dann als Bestandteil des ins Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland mit Sitz in Heidelberg aufgenommenen Schriftgutes unserer Gemeinde. Mit Ihrer Zustimmung werden wir Ihre Geschichten im speziellen Bereich unserer Website unterbringen, und die interessantesten davon werden in Sammelbänden veröffentlicht werden.

Wir haben vor, den ersten Sammelband dieser Art dem Gedenken an den Zweiten Weltkrieg zu widmen. Auf seinen Seiten finden ihren Platz die Erinnerungen derjenigen, die in Fronttruppen oder Partisaneneinheiten kämpften, aber auch derjenigen, die in Ghettos bzw. in besetzten Gebieten auf eine harte Probe gestellt wurden und derjenigen, die den Krieg im Hinterland verbrachten oder evakuiert wurden.

Schreiben Sie Ihre Erinnerungen so auf, wie Sie es für angemessen halten. Versuchen Sie allerdings, damit anzufangen, was Sie über die Schicksale Ihrer Eltern, Ihrer Großväter, Großmütter usw. wissen. Wenn Sie ein Familienarchiv (alte Fotos, Briefe u.ä.) haben, das Ihre Erzählung veranschaulichen könnte, bringen Sie bitte dieses Archiv in die Gemeinde – wir werden Scans anfertigen, Ihnen die Originale zurückgeben und den Text mit Ihren Dokumenten beleben».

Dann folgte der Hinweis auf mich, Pavel Polian, als Projektbetreuer und auf die Möglichkeiten, mit mir Kontakt aufzunehmen.

Auf den Aufruf, etwas selbst zu verfassen, gingen nicht besonders viele Menschen ein: Es waren größtenteils die über 70-jährigen Personen und diejenigen, die sich – auf Bitten ihrer Urenkel bzw. ehemaligen Kollegen hin oder aus inneren Beweggründen – im Genre der Memoiren bereits erprobt haben. Einige von ihnen haben ihre Erinnerungen zu diesem Zeitpunkt schon niedergeschrieben und ganz wenige sogar veröffentlicht – meistens in einer Auflage von ein paar Dutzend Exemplaren für innerfamiliäres Lesen und Kennen.

Als effektivste Art und Weise, ein solches Archiv zu sammeln, erwiesen sich Videointerviews, die der Autor dieser Zeilen in den Jahren 2013–2014 mit der technischen Unterstützung der Freiburger Gemeinde durchführte und bearbeitete. Manche davon wurden in ihrer ursprünglichen Form auf die Website der Gemeinde gestellt. Ausgewählte Auszüge aus fünf solchen Interviews wurden zur, so zu sagen, empirischen Grundlage der jährlichen Gedenkveranstaltung zur Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee, die am 27. Januar 2014 in einem der ältesten und schönsten Häuser Freiburgs – Historischen Kaufhaus am Freiburger Münsterplatz statt gefunden hat.

Die 2014 stattgefundene Veranstaltung hieß «1939–1945: Die jüdische Schicksale. Video-Interview und Gespräch mit dem Historiker Pavel Polian». Vor dem Gespräch wurden die Ausschnitte aus den Interviews mit Sofia Piatova, Emil Etlis, Anna Resnik, Nelli Pozner und Eduard Berditschevskij. Die Veranstaltung wurde von Vizebürgermeister der Stadt Freiburg und dem Direktor vom Sender SWR eröffnet. Moderiert hat Historiker Andreal Meckel.

Dieser Abend, der nicht einfach gut besucht, sondern überbesucht war (Gäste, die fünf und mehr Minuten zu spät kamen, durften schlechthin nicht rein), machte viele Gemeindemitglieder über die Schicksale und Geschichten ihrer Familien nachdenklich: Man fing an, in die Gemeinde mannigfaltige Materialien über sich und seine Verwandten zu bringen. Interviews wurden nach wie vor durchgeführt, und immer mehr Material häufte sich an. Dann kam ich auf die Idee, in der Berliner russischsprachigen Zeitung «Jewrejskaja Panorama» («Jüdisches Panorama») die Rubrik «Jüdische Schicksale» zu etablieren. Die Rubrik kam bei den Lesern an – in den Jahren 2014–2016 wurden in der Zeitung russischsprachige Zeitungsversionen aller 12 dieses Buch ausmachenden Skizzen veröffentlicht.