Zu Beginn der 50-er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde der Stand der Gesamtforschung als unbefriedigend bezeichnet. Die Grammatik begnügte sich mit der Aufzählung von Einzelerscheinungen, sie war praxisfern, sie zeigte die inneren Gesetzmäßigkeiten des Systems nicht. In den 50-er Jahren nimmt die Arbeit an theoretischen Problemen raschen Aufschwung. In dem Vordergrund treten die Probleme des Gegenstandes und Ziele der Grammatik, sowie die Probleme der Forschungsmethoden und der Starrheit des Grammatik-Unterrichts. Neue normative Grammatiken befassen sich mit diesen Problemen. Das sind: Hugo Moser „Das Ringen um eine neue deutsche Grammatik“ [38], Walter Jung „Kleine Grammatik der deutschen Sprache“ [36], Paul Grebe „Der Große Duden. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache“ [33], Johannes Erben „Abriss der deutschen Grammatik“ [29], Hennig Brinkmann „Die deutsche Sprache. Gestalt und Leistung“ [24], Wilhelm Schmidt „Grundfragen der deutschen Grammatik“ [47]. Diese Werke sind methodologisch verschieden geprägt, aber es treten hier viele gemeinsame Züge hervor:
1) es sind synchrone Darstellungen der Gegenwartsprache, die kommunikativ orientiert sind;
2) Morphologie und Syntax betrachten diese Gelehrten in enger Verbindung mit einander;
3) jedes Phänomen der Sprache wird sowohl aus seiner äußeren Form heraus, als auch aus der Sicht seiner Bedeutung, Verwendung und kommunikativer Leistung geschildert.
Besonders intensiv wurde die deutsche Grammatikforschung in den 60-er. Jahren . Es sind| neue Gesamtdarstellungen deutscher Gelehrten zu nennen:
– studia grammatica, 1962-69, Leipziger Linguistenkreis, Sammelband.
– die Veröffentlichungen des Mannheimer Instituts für deutsche Sprache „Sprache der Gegenwart“.
1.5.4 Die deutsche Grammatikforschung in der sowjetischen/russischen Germanistik
Die deutsche Grammatikforschung in der sowjetischen/russischen Germanistik wurde an akademischen Forschungsinstituten, Universitäten und pädagogischen Hochschulen betrieben.
Die ersten bedeutenden Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Grammatikforschung stammen aus den 30-er Jahren. Es sind der Sammelband "Probleme der deutschen Grammatik in historischer Sicht", 1935 herausgegeben von V.H. Shirmunski; "Wissenschaftliche Grammatik der deutschen Sprache" von T.V. Strojewa und L.R. Sinder, 1938; eine Reihe von Monographien (zitiert nach O.I. Moskalskaja [14]).
Der erste wesentliche Charakterzug der sowjetischen Grammatikforschung ist die organische Verbindung von Synchronie und Diachronie. Der 2. Charakterzug ist das Interesse für die inhaltliche Seite der Sprache und die Betrachtung aller grammatischen Erscheinungen aus der Sicht der Einheit von Inhalt und Form.
Besonders großen Aufschwung nehmen germanistische Forschungen in der SU seit den 50-er Jahren. In dieser Zeit erschienen Gesamtdarstellungen des deutschen Sprachbaus solcher Wissenschaftler wie W. Admoni [17], E.W. Gulyga, M.D. Natanson [4], O.I. Moskalskaja [14, 40], umgearbeitete Neuauflage der wissenschaftlichen Grammatik von L.R. Sinder und T.W. Strojewa [10, 50].
Neben den zwei oben genannten Charakterzügen sind für diese Forschungen typisch: die Erschließung der Bedeutung der grammatischen Kategorien, die Verwendung der grammatischen Formen und Mittel; die Erforschung der funktionalen Seite der grammatischen Phänomene.
Insgesamt kann man drei große Themenkreise unterscheiden, die diese u. a. Arbeiten behandeln:
1) Morphologische Studien. Besondere Aufmerksamkeit wird geschenkt: dem Problem der Einteilung der Wortarten im Deutschen, der Erforschung der grammatischen Kategorien der Wortarten, den Kriterien der Ausgliederung der Modalwörter, den Kategorien des Verbs, der Frage über die wortartmäßige Zugehörigkeit des Artikels usw.