Die Tschetschenzen gehörten eine kurze Zeit lang politisch und religiös mit den Lesghiern zusammen, unter der energischen und grausamen Herrschaft von Schamyl in dem von ihm gepredigten und geführten Glaubenskampf gegen die Russen. Sie sind aber ein national getrenntes, selbständiges Volk, über dessen mögliche Urverwandtschaft mit den Lesghiern oder andern Völkern bisher nichts feststeht, und dürfte näheres Erforschen ihrer Sprache jetzt wohl den einzigen dazu führenden Weg bieten.

Da sie keine Schriftsprache besitzen, wie alle sogenannten Bergvölker des Kaukasus, so sind auch die nationalen Ueberlieferungen äusserst unzuverlässig und schwankend. Es scheint aber, als ob die ältesten Stammsitze in ihrem mittleren Gebiet gelegen haben, d. h. wo weiterhin Thuschen wohnen, die in einer Gemeinde sprachverwandt sind, aber sonst als grusinischer Stamm gelten. Je weiter nach Osten und Westen hin, desto jünger scheint die Besiedlung zu sein, wie die allerjüngste am Südufer des Terek erst in Folge der Kriege mit den Russen geschah, welche sie mehr unter Augen und in zugänglicher Gegend, getrennt von ihren Hauptsitzen, wissen wollten.

Vielleicht sind sie verhältnissmässig späte Einwanderer, und ebenfalls wie andere im nördlichen späte Einwanderer, und ebenfalls wie andere im nördlichen Kaukasus auf Wanderungen vorbeigezogen oder abgedrängt worden; oder sie sind Reste von national geschiedenen Heerhaufen der Mongolen und Tataren des dreizehnten Jahrhundert, oder früherer, das südliche Russland beherrschender asiatischer Völker.

Arabische Aufzeichnungen, die in diesen Gegenden von Chasaren, Osseten und selbst Gurdsh (Georgier) sprechen, erwähnten nichts von den Tschetschenzen unter irgend einem Namen, was vielleicht für die eben ausgesprochene Annahme spricht, dass sie erst verhältnissmässig spät in ihre gegenwärtigen Wohnsitze kamen, was ja zum Theil von ihnen selbst insofern angegeben wird, als sie sich grösstentheils als Auszügler aus eng begrenzten Stammsitzen im Gebirge ansehen.

Der Name Tschetschenzen, den sie selbst sich nicht geben, stammt von einer grossen Ortschaft ihres Gebiets, Tschetschen, die seit dem Feldzuge Peters des Grossen nach Persien bekannt ist und am untern Argun liegt; sie selbst nennen sich Nach-tschoi, wo «Nach» Volk bedeutet, aber auch Bär; im benachbarten Awarischen (Lesghischen) würde es Buttermensch bezeichnen, was wohl nur zufällig ist, da der Name Nach-tschoi bei ihnen selbst gebräuchlich ist. – Die verschiedenen früher bei den Russen üblichen Namen waren lokale und über und übertragene Bezeichnungen, die dann verschwanden, als das ganze Volk unterworfen und bekannt wurde. Die Russen unterscheiden gegenwärtig die Galgaier und Inguschen, aber die Tschetschenzen nennen sie beide mit dem gemeinsamen Namen Galgaier. Andere Stämme sind die Nasranower, Galaschewer, Karabulaken (die früher in der Schlucht Datyrchsk wohnten und grösstentheils nach der Türkei zogen; die Zurückgeblieben zogen dann nach Ssaraptscha in der kleinen Tschetschnia am Flusse Pseduch und Tschetschen); aber alle heissen mit dem Gesammtnamen Nach-tschoi. Die, welche am Zusammenflusse des Mitchik Gums (Zuflüsse, von rechts der Bjelaja, die in die Ssunsha mündet), also schon ganz in der Ebene wohnen, wo viele tatarische Namen vorherrschen, nennen sich Mitschikóer, woraus ein verstümmelter Gesammtname Misdchégi entstanden war. Die Itschkérier werden von den Darginern (Lesghiern) Mitschi-chidsch, d. h. Bewohner von Gegenden, wo viel Hirse wächst, genannt. Die Kumyken nennen die Tschetschenzen ebenfalls Mitschi-gysch; die Andier nennen die Tschetschenzen der nördlichen Ebene sind die spätesten und unfreiwilligsten Uebersiedler.