Stella warf einen Blick auf Natalja, die an die Decke starrte, als ob die letzte Bedingung des Klubs nicht in ihrer Gegenwart vorgelesen würde.

„Wenn sie aus diesem Job auch noch gefeuert wird…“, dachte das Mädchen, beschloss aber, das ohnehin komplizierte Verhältnis zu ihrer Freundin nicht weiter anzuheizen.

Natalja senkte den Kopf und rief:

„Ist mir alles recht! Ich fahre in die Schweiz! Juh!“

Sie hob ihr Weinglas und hielt inne. Sie schaute Stella an.

„Oh, sorry! Wir fahren in die Schweiz! Nicht wahr, Liebes? Ich zittere schon vor Aufregung! Millionäre! Champagner! Geld! Was wünscht man sich mehr? Tanzen kann ich! Und tausend Dollar pro Nacht? Das ist ja elitär! Erste Klasse! Ich zeige allen, wie man das macht! Das ist keine Arbeit wie bei euch im Notariat, wo es so langweilig war! Auf diesem Gebiet bin ich wie ein Fisch im Wasser! Das ist mein Milieu!“

Stella sah düster und blass aus. Das Tanzen lag ihr nicht, dafür aber das Trinken! Das konnte sie gut! Oh! Dauersuff!

„Haben Sie zufällig einen Vertrag ohne Tanzen? Nur mit Trinken?“, fragte Stella mit einem aufgesetzten Lächeln.

„Für die Schweiz leider nicht. Das Visum bekommen Sie als Künstlerin, und zwar als Tänzerin. Das wissen Sie doch, Kollegin.“

„Ja. Ich habe schon Mädchen dorthin geschickt, aber ich habe sie zum Preis von hundert Dollar pro Kopf angeboten und sie direkt mit dem Unternehmer in Kontakt gebracht. Auf die Einzelheiten, wie das System funktioniert, bin ich nicht eingegangen. Leider“, sagte Stella und warf einen brennenden Blick auf die zufriedene Natalja. Dieser waren die Sticheleien schon egal, für sie ihr war alles in Butter, genau, wie sie es haben wollte.

„Die Schweiz ist ein interessantes Land, das aus drei Teilen besteht. In allen drei werden unterschiedliche Sprachen gesprochen.

In Zürich zum Beispiel spricht man Deutsch. Sie haben dort ein kompliziertes System. Die Mädchen sollen splitternackt sein, sogar ohne Slips, praktisch während der ganzen Show.

In Genf, das im französischen Teil liegt, werden am Ende des Liedes die Bikinis ausgezogen.

In Lugano, wo die italienische Sprache vorherrscht, soll der Slip gar nicht ausgezogen werden. Man zeigt sich nur oben ohne. Aber auch das nicht unbedingt.“

„Wie werden denn dann in Lugano die Kunden ins Lokal gelockt?“

„Dort arbeiten im Klub Balletts aus Charkow, je dreißig Tänzerinnen in einer Truppe. Mit ihren schicken Shows bezaubern sie die Italiener, die einen Flirt und ausgiebiges Vorspiel mögen. Sie haben keine Lust, mit kalter Miene auf nackte Weiber zu starren und dabei keine Emotionen zu zeigen, wie es im deutschen Teil der Fall ist.“

Nataljas Interesse wurde sofort von Genf, dem goldenen Mittelweg, geweckt.

„Den Slip am Ende des Tanzes, und davor die Brustwarzen an der kalten Stange reiben! Schnell her mit den Unterlagen!“, schrie die Nymphomanin fast.

„Mademoiselle will nach Genf! Voilà!“

Ein glückseliges Lächeln erstrahlte in ihrem Engelsgesicht.

„Grundkenntnisse in Französisch habe ich. Das ist Schicksal! Wäre ich da nur gleich hingefahren, dieses Paradies auf Erden zu erobern, statt mich auf kriminelle Sachen einzulassen.“

Stella hörte nicht, was Natalja da redete. Mit einem traurigen Gefühl studierte sie die Vertragsbedingungen für den Einsatz in anderen Ländern.

Darunter waren England, Australien, Schweden, Japan, Deutschland, die Türkei und Italien. Sie las alle nacheinander durch. Ihr fiel ein merkwürdiger Name auf: Liechtenstein.

„Was ist das?“

„Das ist ein kleines Land in den Alpen. Genau genommen ein Zwergfürstentum. Dort herrscht ein Fürst.“