Sie war überraschend gut in der Schule, schwänzte aber viel und war ständig in Schlägereien und Konflikte verwickelt. Sie war Dauergast im Dienstzimmer von Anatoli Nikolajewitsch Borisow, dem Leiter der Jugendinspektion der damaligen Miliz. Jedes Mal drohte er, sie in die Jugendstrafanstalt zu schicken. Er machte seine Drohung aber nie wahr, also schaute Stella immer wieder mit einem netten Lächeln im Gesicht bei ihm vorbei und hörte sich eine stundenlange Tirade über das schwere Leben hinter Gittern an.
Zwei Wochen blieb Stella in Lugansk, bis die Diplome fertig waren. Jeden Tag trank sie mit den Freunden ihrer Kindheit. Sie besuchte sie der Reihe nach und traf sie auf verschiedenen Partys. Einmal begegnete sie auch ihrem ersten Freund, genauer gesagt ihrem „ersten Kuss“. Der Mann sah schrecklich müde aus. Er war heroinabhängig. Mit schwerem Herzen blickte sie auf die lebende Leiche. Sie hatte manchmal ein ungutes Gefühl, wenn sie beobachtete, wie junge Burschen durch das ekelhafte Zeug starben, das die verfluchten Drogendealer vertrieben. Nur einer von hundert schaffte es, die Abhängigkeit loszuwerden. Die anderen waren so gut wie zum Tode verurteilt. Stella selbst hatte eine Neigung zum Alkohol und probierte damals einige Drogen aus, wie das in den Discos verbreitete Amphetamin und Ecstasy-Tabletten. Aber sie liebte das Leben so sehr, dass sie es nicht gegen Drogen eintauschen würde.
Als Stella zurückkehrte, war ihre Freundin auf dem Höhepunkt des Glücks. Sie war erfüllt mit Begeisterung und Stolz.
Nun war sie Volkswirtin und Juristin! Wovon konnte sie jetzt noch träumen? Die Heiratsvermittlungsagentur meldete sofort Insolvenz an und wurde geschlossen. Die Sache mit der Berufserfahrungsbestätigung dauerte auch nicht lange, wie Natalja vorhergesagt hatte. Der passende Mann wurde gefunden und ausgenommen. Die beiden Mädchen bekamen offiziell je zweieinhalb Jahre Berufserfahrung bei einer Rechtsberatungsstelle bestätigt.
Sie mieteten einen neuen Raum direkt in der Stadtmitte und begannen mit der Renovierung. Sie wussten noch nicht, dass bald eine neue Reihe von Skandalen und Zwistigkeiten über sie hereinbrechen würde.
Stella, die hinterlistige Schlange, ärgerte ihre Freundin mit ihrem Geschmack, insbesondere mit ihrer Vorliebe für Wände in hell- und dunkelbraunen Farbtönen. Natalja dagegen wollte lieber rot und schwarz. Oder vielleicht grellgelb und dazu ein einzigartiges Grün. Das wäre eine Herausforderung an die Gesellschaft ganz eigener Art. Diese Farben hielt sie für wesentlich vorteilhafter im Vergleich zur braun- und pastellfarbener „Kinderkacke“. Sie fand grelle Farben origineller. Außerdem würden sie von Nataljas tadellosen Geschmack zeugen. Stellas Bemerkung, sie hätte gar keinen Geschmack, traf Natalja mitten ins Herz. Den arroganten Ton, in dem das gesagt wurde, konnte Natalja nicht vergessen. Die Idee gehörte Stella, deswegen war sie berechtigt, das Design auszuwählen, in dem die Räumlichkeiten gestaltet werden sollten.
Diese Nachricht machte Natalja traurig, es schien, als hätte sie aufgegeben. Sie fühlte sich zweitklassig und hasste das langnasige Luder.
„Ich werde beweisen, dass ich erstklassig bin! Und klüger außerdem! Wart's nur ab!“
Ein paar Tage nach diesem Skandal vibrierte Nataljas Handy Natalja. Auf dem Display erschien eine Meldung: „Sie werden von 'Luder' angerufen.“
„Ja, Stella! Brauchst du was? Sind die dünnschissfarbenen Tapeten abgefallen? Soll ich kommen, um sie zu halten?“, zischte Natalja.
„Hallo, liebe Freundin!
Hasst du mich immer noch? Ich habe einen Vorschlag für dich. Kannst du ruhig zuhören?“