Rituale sind Lichtblicke: Das Anzünden des Adventskranzes beim Abendessen, das Taschenbuch, das Oma für jedes Zeugnis spendiert (egal wie es ausgefallen ist) – solche Traditionen lassen den manchmal grauen Alltag ein bisschen leuchten und schaffen Vorfreude auf etwas Zuverlässiges, das Kinder auffängt, auch wenn der Tag mal weniger schön war.
Erziehungshelfer
Nicht nur Kinder tun sich mit Ritualen leichter. Auch für Eltern sind sie eine große Unterstützung im täglichen Erziehen, im Vermitteln von Werten und Regeln. Wenn die Geschwister-Reihenfolge beim Gute-Nacht-Sagen, das Händewaschen vor dem Essen, der süßigkeitenfreie Samstag erst mal fest als Familientradition etabliert sind, erspart man sich eine Menge Diskussionen. Rituale wiederholen sich und dadurch lernen Kinder sie besonders schnell, und wenn es nur der Fingerreim beim Nägelschneiden ist. Aber auch die Offenheit für Neues steigt, wenn Kinder ein sicheres Gerüst haben, an dem entlang sie sich weiterentwickeln können.
Gemeinschaftsgefühl
Rituale stärken die emotionale Verbundenheit in der Familie. «Wir sind die, die jeden Samstagnachmittag in den Schrebergarten radeln.» – Nur wir können unsere ganz besondere Familienmelodie pfeifen!» Sie schenken ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und die Gewissheit, nicht fallen gelassen zu werden. Auch in anderen Gruppen sorgen Rituale für Klarheit. Ob beim Morgenkreis in der Krippe oder beim Abklatschen in der Clique: Wer die gleichen Gewohnheiten hat, findet schneller zu einer Gemeinschaft zusammen. In einer solchen Atmosphäre kann jeder einzelne seine Identität entwickeln. Bei einem Ritual haben alle Familienmitglieder ihre feste Aufgabe, und in diesem Zusammenspiel finden auch Kinder ihre Rolle. Sie erkennen ihren eigenen Wert als Teil des Ganzen, wenn sie es sind, die die Eierbecher morgens auf den Tisch stellen oder das Vorlesebuch aussuchen.
Rhythmus und Sicherheit
Rituale können ganz kleine Aktionen oder große Feierlichkeiten sein. Sie gestalten das tägliche Leben, markieren kalenderbezogen ein bestimmtes Ereignis oder begleiten den Übergang in eine neue Lebensphase. Etablierte Gewohnheiten, die täglich gleich sind, schaffen Sicherheit und gliedern das Alltagseinerlei. Sie helfen bei den vielen kleinen Übergängen des Tages: Beim Aufstehen, beim Verabschieden, beim Schlafengehen.
– Das Aufräumlied: Während des Singens (notfalls zwei bis dreimal) werden schnell die Spielsachen weggeräumt.
– Ein Tischgebet oder -spruch (gerne selbst gereimt), der alle auf das
Gemeinschaftserleben Essen einstimmt.
– Finden Sie ein ganz persönliches Abendritual – oder eine Kombination aus mehreren: Das Bett mit Kirschkernkissen wohlig vorwärmen, eine Entspannungsmassage, Nachtmonster wegpusten, dem Mond gute Nacht sagen…
Rituale im Jahreslauf: Alles hat seine Zeit
Struktur im Jahreslauf schaffen, die Wiederholung des Naturkreislaufs wahrnehmen – auch das können Rituale leisten.
– Eine Girlande, die zur Feier der Ferien am letzten Schultag das Wohnzimmer schmückt.
– Aus den ersten gesammelten Kastanien werden Männchen gebastelt, die auf dem Fensterbrett den Herbst begrüßen.
– Gestalten Sie mit Farbe und Stoff einen Festtagsstuhl, der immer nur an Geburtstagen herausgeholt wird.
Rituale in Krisen: Bedrohliches beherrschen
Rituale helfen, schwierige Zeiten einzuordnen und zu bewältigen. Ein bewährter Rahmen, z.B. die feierliche Beerdigung eines toten Vögelchens, erleichtert den Umgang mit Krankheit oder Verlusten. Ein Ritual kann auch vermitteln, dass man dem Geschehen nicht hilflos ausgeliefert ist.