Welcher Zufall! ein Jude, der mit Photographien handelt, spielt mir das Bild von meinem Ideal in die Hände. Es ist ein kleines Blatt, die «Venus mit dem Spiegel» von Titian. Welch ein Weib! Ich will ein Gedicht machen. Nein! Ich nehme das Blatt und schreibe darauf: «Venus im Pelz».
Du frierst, während du selbst Flammen erregst. Hülle dich nur in deinen Despotenpelz, wem gebührt er, wenn nicht dir, grausame Göttin der Schönheit und Liebe!
Und nach einer Weile fügte ich einige Verse von Goethe hinzu, die ich vor kurzem in seinen Paralipomena zum Faust gefunden habe.
Dann stellte ich das Bild vor mich auf den Tisch, und betrachtete es.
Die kalte Koketterie, die Strenge, Härte, welche in dem Marmorantlitz liegt, entzücken mich und flößen mir zugleich Grauen ein.
Ich nehme noch einmal die Feder; da steht es nun:
«Lieben, geliebt werden, welch ein Glück! und doch wie verblasst der Glanz desselben gegen die qualvolle Seligkeit, ein Weib anzubeten, das uns zu seinem Spielzeug macht, der Sklave einer schönen Tyrannin zu sein, die uns unbarmherzig mit Füßen tritt. Auch Simson, der Held, der Riese, gab sich Delila, die ihn verraten hatte, noch einmal in die Hand, und sie verriet ihn noch einmal und die Philister banden ihn vor ihr und stachen ihm die Augen aus, die er bis zum letzten Augenblicke von Wut und Liebe trunken auf die schöne Verräterin heftete[18].»
Ich nahm das Frühstück in meiner Laube und las im Buch Judith. Ich beneidete den Heiden Holofernes um das königliche Weib. Es hieb ihm den Kopf um sein blutig schönes Ende herunter.
«Gott hat ihn gestraft und hat ihn in eines Weibes Hände gegeben.» Der Satz erstaunte mich. Wie ungalant diese Juden sind, dachte ich. Und ihr Gott. Er konnte auch anständigere Ausdrücke wählen, wenn er von dem schönen Geschlecht spricht.
«Gott hat ihn gestraft und hat ihn in eines Weibes Hände gegeben», wiederholte ich für mich. Nun, was soll ich etwa anstellen, damit er mich straft?
Um Gottes willen! da kommt unsere Hausfrau. Sie ist über Nacht wieder etwas kleiner geworden. Und dort oben zwischen den grünen Ranken und Ketten wieder das weiße Gewand. Ist es Venus oder die Witwe?
Diesmal ist es die Witwe, denn Madame Tartakowska knickst und ersucht mich in ihrem Namen um Lektüre. Ich eile in mein Zimmer und nehme ein paar Bände.
Zu spät erinnere ich mich, dass mein Venusbild in einem derselben liegt. Nun hat es die weiße Frau dort oben mit meinen Ergüssen. Was wird sie dazu sagen?
Ich höre sie lachen.
Lacht sie über mich?
Vollmond! Da blickt er schon über die Wipfel der niederen Tannen. Und silberner Duft erfüllt die Terrasse, die ganze Landschaft, so weit das Auge reicht.
Ich kann nicht widerstehen. Es mahnt und ruft mich so seltsam. Ich kleide mich wieder an und trete in den Garten.
Ich gehe zur Wiese, zu ihr, meiner Göttin, meiner Geliebten. Die Nacht ist kühl. Mich fröstelt. Die Luft ist schwer von Blumen- und Waldgeruch, sie berauscht.
Welche Feier! Welche Musik ringsum. Eine Nachtigall schluchzt. Die Sterne zucken nur leise in blaßblauem Schimmer. Die Wiese scheint glatt, wie ein Spiegel, wie die Eisdecke eines Teiches.
Hehr und leuchtend ragt das Venusbild.
Doch – was ist das?
Von den marmornen Schultern der Göttin fließt ein großer dunkler Pelz herab. Ich stehe starr und staune sie an. Wieder fasst mich jenes unbeschreibliche Bangen. Ich ergreife die Flucht.