«Willkommen, ihr Störche! Ihr seid mir ein gutes Zeichen meiner Errettung, denn durch Störche werde mir ein groβes Glück kommen, ist mir einst prophezeit worden!».
Als sich der Kalif von seinem Erstaunen erholt hatte, bückte er sich mit seinem langen Hals, brachte seine dünnen Füβe in eine zierliche Stellung, und sprach: «Nachteule! Deinen Worten nach darf ich glauben, eine Leidensgefährtin in dir zu sehen. Aber ach! Deine Hoffnung, daβ durch uns deine Rettung kommen werde, ist vergeblich. Du wirst unsere Hilflosigkeit selbst erkennen, wenn du unsere Geschichte hörst».
Die Nachteule bat ihn zu erzählen, was der Kalif sogleich tat.
IV
Als der Kalif der Eule seine Geschichte vorgetragen hatte, dankte sie ihm und sagte:
«Vernimm auch meine Geschichte und höre, wie ich nicht weniger unglücklich bin als du. Mein Vater ist der König von Indien, ich, seine einzige unglückliche Tochter, heiβe Lusa. Jener Zauberer Kaschnur, der euch verzauberte, hat auch mich ins Unglück gestürzt. Er kam eines Tages zu meinem Vater und begehrte mich zur Frau für seinen Sohn Mizra. Mein Vater aber, der ein hitziger Mann ist, lieβ ihn die Treppe hinunterwerfen. Der Elende wuβte sich unter einer anderen Gestalt wieder in meine Nähe zu schleichen, und als ich einst in meinem Garten Erfrischungen zu mir nehmen wollte, brachte er mir, als Sklave verkleidet, einen Trank bei, der mich in diese abscheuliche Gestalt verwandelte. Vor Schrecken ohnmächtig, brachte er mich hierher und rief mir mit schrecklicher Stimme in die Ohren:
«Da sollst du bleiben, häβlich, selbst von den Tieren verachtet, bis an dein Ende, oder bis einer aus freiem Willen dich, selbst in dieser schrecklichen Gestalt, zur Gattin begehrt. So räche ich mich an dir und deinem stolzen Vater».
Seitdem sind viele Monate verflossen. Einsam und traurig lebe ich als Einsiedlerin in diesem Gemäuer, verabscheut von der Welt, selbst den Tieren ein Greuel. Die schöne Natur ist vor mir verschlossen, denn ich bin blind am Tage, und nur, wenn der Mond sein bleiches Licht über dies Gemäuer ausgieβt, fällt der verhüllende Schleier von meinem Auge».
Die Eule hatte geendet und wischte sich mit dem Flügel wieder die Augen aus, denn die Erzählung ihrer Leiden hatte ihr Tränen entlockt.
Der Kalif war bei der Erzählung der Prinzessin in tiefes Nachdenken versunken.
«Wenn mich nicht alles täuscht», sprach er, «so findet zwischen unserem Unglück ein geheimer Zusammenhang statt, aber wo finde ich den Schlüssel zu diesem Rätsel?».
Die Eule antwortete ihm: «Oh Herr! Auch mir ahnt dies, denn es ist mir einst in meiner frühesten Jugend von einer weisen Frau prophezeit worden, daβ ein Storch mir ein groβes Glück bringen werde, und ich wüβte vielleicht, wie wir uns retten könnten».
Der Kalif war sehr erstaunt und fragte, auf welchem Wege sie meine.
«Der Zauberer, der uns beide unglücklich gemacht hat», sagte sie, «kommt jeden Monat einmal in diese Ruinen. Nicht weit von diesem Gemach ist ein Saal. Dort pflegt er dann mit vielen Genossen zu schmausen. Schon oft habe ich sie dort belauscht. Sie erzählen dann einander ihre schändlichen Werke, vielleicht, daβ er dann das Zauberwort, das ihr vergessen habt, ausspricht».
«Oh, teuerste Prinzessin», rief der Kalif, «sag an, wann kommt er, und wo ist der Saal?».
Die Eule schwieg einen Augenblick und sprach dann:
«Nehmt es nicht ungütig, aber nur unter einer Bedingung kann ich Euern Wunsch erfüllen».
«Sprich aus! Sprich aus!», schrie Chasid. «Befiehl, es ist mir jede recht».
«Nämlich, ich möchte auch gern zugleich frei sein. Dies kann aber nur geschehen, wenn einer von euch mir seine Hand reicht».