DOKTOR: Das passiert mir auch.
JOHANNA: Hab´ ich mir schon gedacht.
DOKTOR: Wie halten Sie denn das alles aus?
JOHANNA: Ich bin ein Mensch der Pflicht. Ich mache nicht das, was mir gefällt, sondern das, was ich tun muss. Ich esse nicht das, was mir schmeckt, sondern das, was weniger Kalorien enthält. Ich treffe mich nicht mit denen, die mir sympathisch, sondern mit denen, die mir nützlich sind. Ich lebe nicht mit dem Mann, mit dem ich wollte, sondern mit dem, der mir zufiel. Sich zu beklagen und zu jammern ist zwecklos. Man muss arbeiten, den Gürtel enger schnallen und sein Kreuz tragen.
DOKTOR: Ich bewundere Sie.
JOHANNA: Danke. Aber letztendlich ist mein ehemaliger Mann auch kein so schlechter Mensch. Es gibt schlechtere. Ich wiederhole mir das hundertmal am Tag. Es gibt schlechtere. Es gibt schlechtere. Jede Frau sollte das wiederholen. Es gibt schlechtere.
DOKTOR: Warum haben Sie gesagt „ehemaliger Mann“? Haben Sie sich denn geschieden?
JOHANNA: In keiner Weise. Wir sind immer noch verheiratet. Aber was ist das für ein Ehemann, der das vergisst, was ein Mann und Ehemann nicht vergessen sollte. Sie verstehen mich?
DOKTOR: Hm… Und was machen Sie in solchen Fällen? Erinnern Sie ihn daran?
JOHANNA: Wenn man den Mann an solche Dinge erinnern muss, dann hilft da auch nichts mehr.
DOKTOR: Sie haben Recht.
JOHANNA: Wissen Sie, zu welchem Schluss mich meine juristische Praxis gebracht hat? Je mehr vergessliche Männer es gibt, desto mehr leidende Frauen gibt es.
DOKTOR: Zum gleichen Schluss kommt auch die ärztliche Praxis. Allerdings, sagen Sie, kam Ihnen nie in den Sinn, dass man seine Vergesslichkeit in diesen Dingen damit begründen kann, dass…
JOHANNA: …dass er eine andere Frau hat?
DOKTOR: Das haben Sie gesagt und nicht ich.
JOHANNA: Bringen Sie mich nicht zum Lachen. Das ist ausgeschlossen.
DOKTOR: Ja? Und wie würden Sie sich zu so einer Vermutung verhalten, dass nicht lange vor Ihnen mit ihm eine… Wie soll ich Ihnen das sagen… Versteht sich, das ist nur eine Vermutung…
JOHANNA: Verschleiern Sie die Sache nicht, Doktor. Spielen Sie mit offenen Karten. Ich habe keine schwachen Nerven.
DOKTOR: Sie dürfen ihn nicht verurteilen. Meiner Meinung nach erinnert er sich einfach nicht, wer seine Frau ist.
JOHANNA: Er erinnert sich ausgezeichnet. (Sie ruft den Mann, der hereinkommt.) Lieber, sag diesem Menschen, wie ich heiße.
ANTON: Weiß er das denn nicht?
JOHANNA: Er wusste es, hat es aber vergessen. (Ironisch.) Dieser Mensch leidet an Gedächtnisverlust.
ANTON: (Zum Doktor.) Sie tun mir aufrichtig Leid.
DOKTOR: Ich tu´ mir selbst Leid.
ANTON: Warum gehen Sie sich nicht in Behandlung? Ich kann Ihnen einen guten Arzt empfehlen. Hier ist seine Visitenkarte.
DOKTOR: (Sieht sich die Karte an.) Ich danke Ihnen, das ist meine Karte. Sagen Sie lieber, wie diese Dame heißt?
ANTON: Sie stellen seltsame Fragen. Denken sie, ich weiß nicht, wie meine eigene Frau heißt? Die Frau, mit der ich die Schule besuchte?
DOKTOR: Also, wie heißt sie, zum Teufel auch?
ANTON: Johanna. Und nun?
JOHANNA: Nichts, Lieber. Du kannst solange ins Wartezimmer zurückgehen. Geh aber nicht weg. (Antongeht hinaus.)
DOKTOR: Seltsam. Wenn das nicht seine Frau war, wer war sie denn dann?
JOHANNA: Wer?
DOKTOR: Die Frau, die vor Ihnen hier war.
JOHANNA: Wenn sie denn hier war, dann weiß ich wer sie ist.
DOKTOR: (Interessiert.) Ach was? Wer denn?
JOHANNA: Eine Hure und Abenteurerin.
DOKTOR: Sie sollten nicht so scharf sein. Mir erschien sie völlig anziehend.
JOHANNA: Leider sind Huren und Abentreurerinnen immer anziehend. Im Unterschied zu uns ordentlichen Frauen.