– Sehr interessant! Und was studieren Sie?

– Musik und Kunstgeschichte. Sie wissen, Wien ist die Wiege der Musik.

– O ja, das stimmt. Lieben Sie Musik?

– Gewiss! Wir spielen Klavier, komponieren und singen Lieder. Unser Lieblingskomponist ist Liszt.

– Lieben Sie auch Poesie? Wer ist Ihr Lieblingsdichter, Siegfried?

– Meine Lieblingsdichterin ist Ilse Spiegel. Sie hat viele Gedichte geschrieben. Liebe und Frieden sind ihre Motive. Ilse ist wirklich intelligent und gebildet.

– Dichten Sie auch selbst?

– O nein, das hat keinen Sinn. Musik siegt.

– Darf ich Ihnen Bier anbieten? Trinken Sie mit mir?

– Ich trinke gern Bier, danke. Und Sie, Ilse?

– Bier hat viele Kalorien und macht dick. Ich will aber zierlich sein, ich trinke lieber Milch oder Limo.

– Bitte.

35. Unterstreichen Sie langes und kurzes I mit unterschiedlichen Farben.

Carolins Wunschzettel

Katrin und Carolin waren überall in unserer Straße bekannt. Es waren die Zwillinge von Vogts im Haus № 9. Sie tauchten immer nur zu zweit auf, bis kurz vor Weinachten jedenfalls. Ihre wuscheligen rotblonden Köpfchen sah man schon vom weiten leuchten.

Von Anfang an war Carolin immer das Spiegelbild von Katrin. Sie saß neben ihr im Kinderwagen, bekam mit ihr Mumps und Masern, spielte mit ihr im selben Sandkasten und war immer so angezogen wie ihre Schwester. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Schließlich waren sie auch eineiige Zwillinge.

Anfangs fand das Carolin ganz lustig, wenn die Leute sie mit ihrer Schwester verwechselten. Im Kindergarten machten sich die beiden einen Spaß daraus, heimlich die Plätze oder die Gruppen zu tauschen. Sie führten mit ihrer Ähnlichkeit gerne andere an der Nase herum. Aber dann kam der erste Schultag.

Katrin und Carolin zogen mit den gleichen blauen Hosen, den gleichen weißen Polohemden, den gleichen roten Pullis, den gleichen gelben Ranzen und gleich getupften Schultüten los. „Da kommt das doppelte Katrinchen“, sagte der Lehrer. Alle lachten. Nur Carolin nicht, sie wusste es selbst nicht warum. Ganz still saß sie da, auch am nächsten und übernächsten Tag. Katrin fand sich in der Schule schnell zurecht, sie hat rasch neue Freunde und bemerkte gar nicht, dass Carolin immer stiller wurde. „Komm, spiel doch mit uns!“ rief Katrin. Aber Carolin wollte nicht. „Spielverderber“ – sagte Katrin. Da drehte sich Carolin um und weinte. Nach einiger Zeit sprach der Lehrer mit der Mutter. „Katrin ist ein sehr lebhaftes Kind, – sagte er – Carolin dagegen ist still und rührt sich kaum.“ Frau Vogt konnte sich das veränderte Verhalten von Carolin beim besten Willen nicht erklären. Auch zu Hause war sie anders als sonst. Sie blieb zu Hause, wenn Katrin zum Spielen nach draußen ging, sie sah Bücher an, wenn Katrin Musik hörte; sie wollte fernsehen, wenn Katrin „Mensch, ärgere dich nicht“ spielen wollte.

Carolins Wunschzettel schließlich klärte die rätselhafte Angelegenheit ziemlich anschaulich auf. Und das kam so:

– Soll ich den Wunschzettel schreiben oder du? Fragte Katrin Ende November.

– Ich möchte diesmal meinen eigenen Wunschzettel schreiben, – sagte Carolin.

– Wieso denn? Wir kriegen doch immer das Gleiche, wunderte sich Katrin.

– Eben darum, – antwortete Carolin. – Das finde ich schrecklich.

– Wieso denn auf einmal? Wunderte sich Katrin.

– Ich möchte mal einen quietschblauen Pulli kriegen, wenn du einen roten kriegst.

– Ich wünsche mir keinen Pulli. Ich wünsche mir Schlittschuhe, sagte Katrin.

– Ich wünsche mir Rollschuhe, sagte Carolin.

– Ich wünsche mir einen Tennisschläger, sagte Katrin.

– Ich wünsche mir einen Malkasten, sagte Carolin.