Und da war noch ein anderer “Auslandskontakt”: als Junge hatte ich damals Gelegenheit einige Franzosen kennen zu lernen. Das kam so: mein Vater, Beamter in der Landesverwaltung Rheinland-Pfalz, hatte seinerzeit mit Franzosen zu tun, weil die Hoheitsverwaltung in Rheinland-Pfalz in Händen der französischen Besatzungsmacht lag. Die Franzosen, die diese Aufgabe in Mainz wahrnahmen, sprachen häufig gut Deutsch. Ein Teil ihrer Verwaltung war in der Zitadelle: eine alte Festung auf einem Hügel, mit Blick auf die Stadt und den Rhein. Mein Vater nahm mich mal mit bei einem Besuch auf der Zitadelle: er hatte dort dienstlich etwas mit den Franzosen zu tun. Für mich wurde daraus ein Erlebnis: die Franzosen waren nett zu mir, lachten, ließen mich überall herumlaufen, erlaubten mir sogar in den am Eingang geparkten Kübelwagen zu steigen! Ein Schwimmwagen, der hinten eine kleine Schiffsschraube hatte. Ich bekam zu hören, dass man damit, wenn man wollte, durch den Rhein fahren, konnte! Ich war begeistert.

Es stellte sich heraus, dass die Franzosen regelmäßig auf die Jagd fuhren. Als mein Vater ihnen gelegentlich erzählte, dass die Jagd sein großes Hobby sei, luden sie eines schönen Tages unsere ganze Familie ein zu einem Wochenende auf einer Jagdhütte in den Wäldern bei Kaub am Rhein. Mein Vater bekam einen Jagderlaubnisschein von den Franzosen, und aus den Jagdausflügen entwickelte sich eine jahrelange Freundschaft die noch lange fortbestand, selbst als die Besatzungsmacht wieder nach Frankreich abgezogen war.

Immer noch habe ich meine erste (platonische) Liebe vor Augen: ich war 14 Jahre alt, als es zuhause klingelte. Vor der Tür stand eine bildschöne Französin, vielleicht 20 oder 25 Jahre jung, und fragte nach M. Wonson, von dem sie wusste, dass wir mit ihm befreundet waren. Sie war aus Paris angereist um ihn zu suchen. Mit herrlichem französischen Akzent “sang” sie: “Bonjour, ich bin eine Freundin von

M. Wonson und von Paris hierher ´getreten´ und suche M. Wonson…. “. Während der Zeit der Suche nach M. Wonson wohnte sie bei uns. Ich war fasziniert. Nachmittags gingen wir im verwilderten Park gegenüber unserer Wohnung spazieren, wenn sie da war. Mit unserem Dackel an der Leine. Meine Spielkameraden verstanden die Welt nicht mehr. Ich eigentlich auch nicht.

Nach einigen Tagen fuhr sie wieder nach Paris zurück: M. Wonson war nicht auffindbar. Später erfuhren wir über gemeinsame französische Bekannte, dass er zu dieser Zeit in Afrika war, auf Abenteuertour.

Eigentlich war es so, dass ich damals ein bisschen Angst vor den Franzosen hatte. In der Zeit, als wir für einige Monate in Koblenz wohnten nach dem Krieg, war folgendes passiert: als 7 jähriger Knirps warf ich aus meinem Versteck in den Büschen am Straßenrand Steine auf einen französischen Militärwagen der gerade vorbeifuhr. Was ich mir so gar nicht vorgestellt hatte passierte dann: der Stein traf das Auto, der Wagen bremste scharf ab, zwei Soldaten sprangen heraus und fischten mich aus den Büschen. Sie packten den schlotternden Jungen in den Wagen und nahmen ihn mit zur Militärkommandantur. Dort saß ich dann eine ewige Zeit in einem Zimmer, – vielleicht 10 Minuten -, und dann schickten sie mich böse dreinschauend nachhause. Das war schlimm. Irgendwie fand ich sogar, dass ich da was falsch gemacht hatte.

Danach war bezüglich Kontakten zu Ausländern über 10 Jahre lang absolute Funkstille. Aber ich war bereits “angesteckt”: mir blieb eine Sehnsucht, die mich mein Leben lang nicht mehr los ließ.

Noch etwas stellte sich als wichtig heraus für mich: später pachtete mein Vater die Jagd bei Kaub, mitsamt der dazugehörigen Jagdhütte. Unzählige Wochenende verbrachten wir auf der Jagdhütte bei Kaub, und die vielen Ansitze und Pirschgänge brachten mich dem Wald, der Natur und der Fauna so nahe, dass ich mich ganz natürlich als Teil des Ganzen fühlte.